“Nastjas Tränen” von Natascha Wodin

Als Nata­scha Wodin 1992 nach Ber­lin kommt, sucht sie jeman­den, der ihr beim Put­zen hilft. Sie gibt eine Annon­ce auf, und am Ende fällt die Wahl auf eine Frau aus der Ukrai­ne, dem Her­kunfts­land ihrer Mut­ter, die im Zwei­ten Welt­krieg als Zwangs­ar­bei­te­rin nach Deutsch­land ver­schleppt wur­de. Nast­ja, eine Tief­bau­in­ge­nieu­rin, konn­te nach dem Zusam­men­bruch der Sowjet­uni­on im wirt­schaft­li­chen Cha­os ihrer Hei­mat nicht mehr über­le­ben − ihr letz­tes Gehalt bekam sie in Form eines Säck­chens Reis aus­ge­zahlt. Da sie ihren klei­nen Enkel­sohn und sich selbst nicht län­ger ernäh­ren kann, steigt sie, auf etwas Ein­kom­men hof­fend, in einen Zug von Kiew nach Ber­lin. Dort gelingt es ihr, meh­re­re Putz­jobs zu fin­den, nach geta­ner Arbeit schläft sie auf dem Sofa ihrer Schwes­ter. Zu spät bemerkt sie, dass ihr Tou­ris­ten­vi­sum abge­lau­fen ist. Unver­se­hens schlit­tert sie in das Leben einer Ille­ga­len, wird Teil der rie­si­gen Dun­kel­zif­fer an Unter­ge­tauch­ten im Dickicht der neu­en, noch wild­wüch­si­gen deut­schen Hauptstadt.
Für Nata­scha Wodin ist es, als wür­de sie von ihrem Schick­sal erneut ein­ge­holt. Im Heim­weh die­ser Ukrai­ne­rin, mit der sie mehr und mehr eine Freund­schaft ver­bin­det, erkennt sie das Heim­weh ihrer Mut­ter wie­der, die dar­an früh zer­bro­chen ist. Jetzt, Jah­re spä­ter, zeich­net sie mit ver­hal­te­ner, tief anrüh­ren­der Poe­sie das Por­trät von Nast­ja, einer kämp­fe­ri­schen Frau.

Der Autorin gelingt es, uns auf beein­dru­ckend ein­fühl­sa­me Wei­se in die Lebens­welt von Migran­ten zu ent­füh­ren. Nast­ja sieht in ihrer Hei­mat, der Ukrai­ne, kei­ne Per­spek­ti­ve mehr. Sie macht sich auf den Weg nach Deutsch­land, um ihre Fami­lie in der Ukrai­ne zu unter­stüt­zen. Hier führt sie ein Leben in Zer­ris­sen­heit. Einer­seits das Leben in einem frei­en Land, ande­rer­seits die Sehn­sucht nach der fer­nen Hei­mat und ihrer Familie.
Trotz des trau­ri­gen The­mas habe ich das Buch mit Genuss gelesen.

Armin B., Sandhausen

Ver­füg­bar­keit in der Gemein­de­bi­blio­thek prüfen

Dieser Beitrag wurde unter Artikel in den Gemeinde Nachrichten, Buchempfehlungen, Roman veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.